Das Leben als ewige Suche? Kann an der Basisemotion 2 liegen: SEEKING.
Wenn es uns grundsätzlich gut geht, lassen wir es uns gut gehen, entdecken die Welt und finden vielleicht ein Ei. Über eine Emotion, mit der wir die Welt verstehen lernen.
Wenn man schläft ist Ruhe. Ansonsten gilt: Irgendwas ist immer. Neurologisch ausgedrückt: Unser Körper meldet seine Bedürfnisse – Hunger, Durst, Harndrang, Frieren, Jucken an Fuß oder Kopf, Hautfitzelknabberdrang an den Fingernägeln, Sportnotwendigkeit, Badewannewollen, Arbeitenmüssen, Kinder ins Bett bringen und all die anderen Bedürfnisse, aufgrund derer wir uns so und nicht anders durch den Tag bewegen – die meldet unser Körper. Und die vorwiegend im medialen Hypothalamus lokalisierten „Bedürfnisdetektoren“ registrieren sie. Welche uns wiederum uns auf die Suche nach Befriedigung schicken. Indem sie das SEEKING- bzw. SUCH-System aktivieren.
Und damit willkommen zur Basisemotion 2.
Es gibt kaum einen Moment, in dem unser Körper kein Bedürfnis hat. Die entscheidende Frage ist: Welches wird in unserem Ticketsystem nach oben priorisiert. Das ist eine der flachen Erkenntnisse in der immens komplexen Bewusstseins- und Verhaltensforschung: Nur wenn die wirklich wichtigen Bedürfnisse im grünen Bereich sind, können wir den weniger wichtigen, aber vielleicht etwas angenehmeren Bedürfnissen frönen.
Beispiel: Sektparty am Samstagvormittag? Sehr gerne ein Prosit! Allerdings sollten Häkchen an wichtigeren körperlichen und psychischen Bedürfnisse sein:
Gesundheit ☑️
Temperatur ☑️
mittags – dann betrunken – keinen Töpferkurs geben müssen (sonst vergreift man sich noch im Ton, haha!) ☑️
und wenn Muttern aus dem Krankenhaus anruft, weil sie vom Auto angefahren wurde, ist die Party auch vorbei.
Wir Könnens uns nur gut gehen lassen, wenns uns gut geht.
Das SEEKING-System ist meist ein großer Segen, manchmal aber auch ein Fluch. Es ist der ständige Motor, mit dem wir die Welt um uns herum erkunden. Sei es physisch auf einer Wanderung oder mental, wenn wir deep shit ganz flach lesen. Wir sind hardwired explorer. Und lernen dabei, was unsere Bedürfnisse gut befriedigt, und was nicht. Wir „kodieren Ursache-Wirkung-Beziehungen. Ein Beispiel dafür, wie stereotypisierte Instinkte zu individualisiertem Lernen führen“, schreibt Mark Solms in seinen Buch „Hidden Spring“.
Ich hatte es auch schon in der Wer-braucht-schon-dsgf-Folge erwähnt. Das SUCH-System ist quasi unsere Standard-Emotion, wenn wir nicht gerade von einem anderen Affekt bzw. Bedürfnis beherrscht werden (Hautfitzelknabbern, Frieren oder Badewanne etc.). Dann greifen wir zur Zeitung und blättern entspannt drin rum. Oder interessieren uns irgendwie anders für die Welt da draußen.
Zwei Gedanken noch dazu
Von Solms: Unser Körper kann auch im Schlaf seine Bedürfnisse an unsere Psyche richten und das SEEKING-System aktivieren. Und so „Problemlösungsaktivitäten“ in unsere Träume schmuggeln. Vielleicht auch ein Grund, warum wir schlafen müssen, um lernen zu können.
Von mir: Vielleicht ist es das SEEKING-System, dass wir bei Meditieren versuchen runterzufahren. Ich bin kein Meditieren, habe aber mal ein 10-Tage-Schweige- und Meditations-Seminar. Ich glaub, ich weiß jetzt, was mich vor allen die ersten Tage fast in den Wahnsinn getrieben hat. Mein SEEKING-System, das auf 180 war. Die Grundbedürfnisse meines Körpers waren voll befriedigt, es gab nix zu Lesen und kein Garnis, nur 11 Stunden am Tag mit geschlossenen Augen sitzen und nicht Explorieren. Nicht stöbern. Sich für nichts interessieren. Es war verdammt hart. Aber gut.
Sex ist natürlich aus so ein Bedürfnis, das dem SEEKING-System gemeldet wird und bei dem das LUST-System ins Spiel kommt. Siehe letzte Folge, erste Basisemotion.
In der nächsten Folge hab ich dann endgültig die Schnauze voll! Dann geht es um das verdammte WUT-System!! Echt, ey!!!
Unangenehmer Hinweis zum Schluss
Es nagt hart an mir, aber es muss raus: dsgf-Leserin Friederike schrieb mir, dass die sieben Basisemotionen von Panksepp, um die es in dieser Miniserie geht, nicht mehr State of the Art sind. Ikone Lisa Feldman Barrett schreibt das in ihrem Buch „How emotions are made“. Ich hab leider nur ein anderes von ihr gelesen (das ich in dieser dsgf-Folge wärmstens empfehle).
Ich will hier keinen Unsinn schreiben. Aber auch nicht die kostbare Zeit, die ich in die vorproduzierten kommenden Folgen gesteckt hab, verschwenden. Mein Ausweg: Ich behaupte mit den Basisemotionen nicht, dass es entsprechende neurologische Schaltkreise gibt, die die Emotionen repräsentieren. Von wegen Stimulation hier, WUT da. Das schreibt Solms nicht, wenn er sich auf Panksepp bezieht, und da wäre ich ohnehin skeptisch geworden. Verhalten ist eine viel zu komplexe Angelegenheit für solch simplen Determinismus.
Ich denke, die Serie kann weitergehen, wenn klar ist, dass auch die Basisemotionen nur eine von vielen Möglichkeiten sind, unglaubliche Komplexität zu reduzieren. Es ist ein Beispiel für Poetic Naturalism. Der Physiker Sean Carroll meint damit, dass wir komplexe Zusammenhänge immer auch vereinfachen, wenn wir sie mit unserem begrenzten Wortschatz beschreiben.
Jedenfalls lassen sich Affekte, Emotionen und Gefühle bestimmt auch anders klassifizieren. Wichtig bleibt, dass die Basisemotionen ein Beispiel für grundlegende Emotionen sind, ich hier aber nicht behaupte, dass es pro Emotion einen neuronalen Schaltkreis gibt, der ihnen kausal zu Grunde liegt. Einigen wir uns darauf, dass unser Verhalten von Emotionen wie LUST, WUT und SEEKING beeinflusst wird.
(In der Physik passiert einem so etwas kaum. Auf die Entropie ist Verlass! Aber Bewusstsein lässt sich halt schwer messen.)