Papa, können wir nochmal das Universum spalten? Klar, kein Problem.
Quantenmechanik zu verstehen oder gar nachzuempfinden ist hart. Das Universum zu spalten, geht hingegen recht einfach. Mit einer App.
Die Realität, wie sie die Quantenmechanik beschreibt, ist höchst abgefahren. Unser Universum ist demnach vieles gleichzeitig. Teilchen befinden sich entsprechend einer Wahrscheinlichkeitsverteilung an vielen Orten gleichzeitig. Erst wenn man hinguckt, also mit dem Teilchen in Form einer Messung interagiert, kollabiert die sogenannte Wellenfunktion, mit der sich unser Universum beschreiben lässt.
Viele Orte gleichzeitig? Das klingt nach Multiversum. Dem aktuellen Stand der Ding nach gibt es das wirklich.
Argument 1: Die Quantenmechanik beschreibt Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten von Zuständen und Vorgängen der Materie wie keine Zweite. Mit ihr als Modell lassen sich Vorhersagen treffen, die bislang noch immer eingetroffen sind bzw. experimentell nachgewiesen wurden. Mit ihrer Hilfe lassen sich Laser, MRTs und Quantencomputer bauen. Auf die Quantenmechanik ist Verlass. (Da hat sie wohl was gemeinsam mit der Entropie.)
Argument 2: Es gibt immer mehr Filme übers Multiversum. All die Marvels, Everything Everywhere All At Once und natürlich diese eine Serie, die dem Gagaesken des Multiversum am besten gerecht wird: Rick & Morty. Auf Popkultur ist auch Verlass.
Wer ist nun auf die Idee gekommen, dass unser Gesamtuniversum aus vielen Paralleluniversen bestehen soll? Das war Hugh Everett. Der schlug 1957 die Viele-Welten-Interpretation der Quantenphysik vor. Warum? „Sie soll erklären, weshalb sich die Wahrscheinlichkeit jedes Messwerts in einem quantenphysikalischen System genau berechnen lässt, jedoch im Allgemeinen das Ergebnis einer einzelnen Messung nicht vorhersehbar ist.” Danke, Wikipedia 😘.
Ei im Glas oder Rührei? Gute Gelegenheit, um unser Universum zu spalten.
Mit dem Multiversum läuft das, flach ausgedrückt, so: Es gibt alle möglichen Universen bereits. Jedes Mal, wenn wir etwas messen, also mit anderen Teilchen bzw. dem Quantenfeld interagieren – Welle, Teilchen, Teilchen, Welle, das nimmt sich nicht viel –, kollabiert die Wellenfunktion und lässt das entsprechende Universum unsere Realität werden. Es ist ein bisschen wie bei Marvels Loki Serie: Bei bestimmten Quantenereignissen verzweigt sich das Universum. Und zwar mega häufig: Physiker Sean Carrol schreibt in Something Deeply Hidden: „In a typical human body, about 5.000 atoms undergo radioactive decay every second. If every decay branches the wave function in two, that’s 25000 branches every second. It’s a lot.” Wahrscheinlich sprechen deshalb manche von einem Schaum aus Universen, in dem wir baden.
Jedenfalls kann man diese Ereignisse auch ganz einfach per App herbeiführen und so unser Universum spalten. “Universe Splitter” heißt die App, die nicht nur Quanten-Nerds sondern nachweislich auch Kindern Spaß macht. Münze werfen? Wie uncool. Jedes Mal, wenn man nicht weiß, für welche von zwei Möglichkeiten man sich entscheiden soll, spaltet man einfach das Universum und guckt, in welchem man sich danach befindet. Ob Ei im Glas oder Rührei. Ob Bier oder Wein. Ob Yakari oder (Findus und) Petterson.
Man gibt die beiden Möglichkeiten ein und die App kontaktiert ein Labor in der Schweiz, wo ein Photon auf einen halbtransparenten Spiegel geschickt wird. Nach Schrödingers Gleichung spaltet der halbtransparente Spiegel die Wellenfunktion des Photons in zwei Teile. Das Universum verzweigt sich. In dem einem geht das Photon durch den Spiegel zu dem einen Detektor. In dem anderen wird es reflektiert und gelangt zum anderen Detektor.
Mit meinen 22 Universums-Spaltungen habe ich, so die Multiverse Statistics der App, geschätzte 4.194.304 Universen erschaffen. Easy.
Jedenfalls fand ich mich damals im Rührei-Universum wieder. Dass ich dem anderen Universum Ei im Glas gegessen hab, klingt natürlich total verrückt. Ist wohl aber so. Stört ja auch nicht. Sich in die Quere kommen kann man nämlich nicht.
Bleibt die Frage: Was soll man damit anfangen? Was sind die Implikationen einer solchen Erkenntnis für unseren Alltag? Flach gesagt: Es gibt keine. Den Müll rausbringen muss man trotzdem.
Faszinierend aber, dass das Universum so etwas wie uns Menschen hervorbringt. Allein dadurch, dass seine Wellen, die sich auch wie Teilchen benehmen, über lange Zeit zusammenstoßen und organisierte Gruppen bilden – man könnte auch Lebewesen sagen –, die dem Universum dann derart auf die Schliche kommen.
Das war’s.
Vielen Dank.
Fast vergessen: der Link zur App. Für Android, für iOS.
PS: Ich versteh’s selbst nicht, ist aber schön anzusehen – und irgendwie beruhigend: „Die eindimensionale Wellenfunktion eines Elektrons über x-Koordinate. Zu Anfang reine Gaussverteilung mit 1 nm Breite.” Nochmal Danke, Wikipedia.