Der liebe
schrieb neulich auf seinem Substack:Trump in den USA genauso wie die AfD in Deutschland sind Herrscher des Affekts. Sie bedienen eine Sehnsucht nach einer vermeintlich heilen Vergangenheit mit der Vormacht weißer Männer, einem traditionellen Familienbild und einer homogenen Nation. Diese Sehnsucht lässt sich nur am Leben halten mit Affekten, die so verführerisch sind, gerade weil sie kein Nachdenken, kein Analysieren erfordern. Dann sind an den gegenwärtigen Krisen „die Ausländer“ schuld. Oder „die Woken“. „Die Homosexuellen.“ „Die Links-Grünen“.
Bleibt die Frage: Was sind diese Affekte eigentlich? Wie beeinflussen sie unser Verhalten? Da zitiere ich gleich noch einmal, und zwar die eine Folge von deep shit ganz flach zu Gefühlen:
Empfindungen gibt es viele und von unterschiedlicher Art. Es gibt sie vor allem, um unser Überleben sicher zu stellen. Weniger, um sie zu klassifizieren. Drei Begriffe tauchen immer wieder auf: Affekte, Emotionen und Gefühle. Flach ausgedrückt:
Affekte nennen wir hier körperliche Fehlersignale wie Hunger oder Harndrang, die uns bewusst werden und aufgrund derer wir handeln können. Können, weil wir uns im Supermarkt nicht vollautomatisch den nächstbesten Schokoriegel in den Mund schieben oder Pipi einfach laufen lassen. Wir entscheiden uns mit Blick auf die möglichen Konsequenzen, den Schokoriegel zu kaufen und erst zu Hause auf Toilette zu gehen. Dass wir diese inneren Zustände wahrnehmen, bewerten und uns für bestimmte Handlungen entscheiden können, ist kein Pappenstiel. Mit dieser Fähigkeit „tauchte im Universum etwas ganz und gar neues auf: das subjektive Sein“, so Mark Solms.
Emotionen liegen tief, ähneln Affekten sind aber nicht ganz so körperlich wie Hunger oder Harndrang. Sie entstehen unterbewusst, manchmal auch aus Affekten heraus.
Gefühle können aus Emotionen entstehen (oder aus Gedanken, die uns umtreiben). Wir nehmen sie bewusst war, und es gibt sehr viele davon. Hoffnung und Enttäuschung sind beispielsweise Gefühle, keine Emotionen. Oder in vier Wörtern: Emotionen implizit, Gefühle explizit.
Weil hier zur Zeit das Buch „How Emotions are made“ von Lisa Feldman Barrett liegt und es ab Seite 79 um Affekte geht, packe ich die Gelegenheit beim Schopfe und erzähl etwas zu diesen possierlichen neuronalen Mechanismen.
Vorab wichtig: Wir nehmen die Realität da draußen vor allem als Simuliation wahr. Die Echtzeitverarbeitung all der Sinneseindrücke würde nicht nur die Kapazitäten unseres Gehirn überschreiten. Eine Simulation ist auch deutlich energieeffizienter. Nur wenn die Simulation von der Realität abweicht, macht sich unser Gehirn die Mühe, seine Vorhersage zu korrigieren. Steht auch in dieser Folge von neulich.
Diese Simulation wird maßgeblich vom sogenannten interozeptiven Netzwerk gesteuert. Diese Netzwerk checkt vor allem eines: Wie es unserem Körper geht. Ob die Werte für Temperatur, Nährstoffe, Salzgehalt, Blutdruck, ph-Wert und viele viele weitere Parameter im Sollbereich sind. Dies Meldungen dieses Netzwerkes – es sind die oben genannten Fehlersignale – haben großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle, unser Handeln und unsere Entscheidungen. Lisa F. B. schreibt:
Affect is in the driver’s seat and rationality is a passenger.
Bestes Beispiel dafür: Das Begräbnis des Homo oeconomicus. Es fühlt sich zwar an, als seien wir smart und rational, doch das ist Teil der Simulation. Zu viele Experimente zeigen, wie affektgesteuert wir sind. Dabei ist es auch nicht so, dass unsere Ratio gegen initialen Gefühle ankämpft. Der Neokortex ist nicht der Antagonist des limbischen Systems.
Unser Körper ist eine Vorhersagemaschine, die ständig versucht zu erahnen, wie sich all jene Parameter ändern könnten, die sein Überleben sichern. Affekte sind die Zusammenfassungen dieser Zustandsbeschreibungen. Sie sind die groben Antworten auf die ständige Frage, wie es unserem Körper, wie es uns geht. Die Affekte beeinflussen unsere Wahrnehmung derart, dass Lisa schreibt:
You might think about your environment as existing in the outside world, separate from yourself, but that’s a myth. You construct your environment by virtue of what sensory input from the physical environment your brain selects; it admits some as information and ignores some as noise.
Wie unsere Wahrnehmung, wie diese Simulation unseres Hirns aussieht, hängt davon ab, wie es unserem Körper geht, hängt also von den Affekten ab. Diese sind damit „a property of conciousness.“
Um auf die von
genannten Affekte zurückzukommen: Ich verstehe, was gemeint ist, aber eigentlich passt der Begriff nicht ganz. Bei der oben genannten Sehnsucht, die Trump und die AfD bedienen, bewegen wir uns vielmehr auf den Ebenen darüber: Dort wo Affekten in Form von Emotionen Bedeutung verliehen wird. Und wo aus Emotionen bewusste, komplexe Gefühle werden.Genauer steht’s bestimmt auch in dem Buch „Radikal emotional – Wie Gefühle Politik machen“, von Maren Urner, das ich nicht gelesen hab. Aber grundsätzlich scheint ja klar zu sein, dass wir vor allem gefühlsgesteuerte Wesen sind. Fragt sich nur, warum sich das Meckerziegen-Mindset so viel leichter ausbreitet, als das der Liebe. Wahrscheinlich liegt’s am ollen Ego. Genetisch ganz vorne mit dabei, und aus einem Hirn, dessen Job es ist, das Überleben des eigenen Körper zu sichern, auch nicht wegzudenken. Das olle Ego, das sich immer noch aufführt wie ein bockiges Kind, obwohl es längst bei Ärzten war, die ihm den Schrei nach Liebe attestiert haben.
❤️
Some housekeeping: Ich mach mit deep shit ganz flach ab jetzt einen auf zweiwöchentlich. Also nicht wundern, wenn nächsten Sonntag Ruhetag ist! Als Zeitvertreib könnt ihr sehr gerne