Keine Angst vor Folge Fear! Die Basisemotion FURCHT
Biologisch sinnvoll, dass sich Schlangen und dunkle Höhlen unangenehm anfühlen – der Amygdala sei Dank. Aber was bitte hat Ulrike Meinhof damit zu tun?!
FURCHT, die vierte unserer Basisemotionen, ist eine astreine Gelegenheit, um endlich über die Amygdala zu schreiben. Über diesen Teil des limbischen Systems, das eine Hauptrolle im Film „Emotionen und Triebverhalten“ spielt. Diesem Film mit ca. 3 Millionen weiteren Darstellern und einer Story, die so komplex ist, dass sie niemand verstehen kann. (Versteht man diese Film-Metapher? Den Film gibts nämlich nicht wirklich.)
Es gibt die wildesten Geschichten zur Amygdala. Etwa die mit Ulrike Meinhof. Die linke Aktivistin entwickelte im Laufe ihres Lebens immer extremere Ansichten, gründete die RAF mit und wurde, salopp gesagt, „hart aggro“. Eine Ursache könnte eine Verletzung ihrer Amygdala gewesen sein. Könnte gewesen sein. Denn Achtung, kleiner Umkehrschluss-Test: Die anderen RAF-Terrorist*innen hatten bestimmt keine Amygdala-Probleme und waren dennoch „hart aggro“.
Meinhofs Amygdala hat gelitten, als ihr einst ein Tumor entfernt wurde. Der Neuropathologe Jürgen Peiffer, der das herausfand, meinte gar, man hätte deshalb vor Gericht ihre Zurechnungsfähigkeit in Frage stellen müssen. Einer seiner Kollegen hatte später eine ähnliche Schädigung bei einem Mehrfachmörder festgestellt. Der Hirnschaden könne ein „pathologisches Ausmaß an Aggressivität“ bewirkt haben, meinte Peiffer nach einer zweiten Untersuchung von Meinhofs Gehirn.
Unsere Furcht vor dunklen Ecken, großen Höhen oder Schlangen ist angeboren, damit wir nicht lange überlegen müssen, bevor wir die Flucht ergreifen. Neugeborene Mäuse erstarren beispielsweise, wenn man nur ein einziges Katzenhaar in ihren Käfig legt.
Ohne Amygdala funktioniert das nicht. Mark Solms berichtet in seinem Buch „Hidden Spring“ von einer Patientin, die unter dem Urbach-Wiethe-Syndrom litt – ein seltener genetischer Defekt, der zu Verkalkung der Amygdala führt. Die Patientin zeigte keine Anzeichen von Anspannung oder Furcht, wenn man sie mit einem Messer oder einer Knarre bedrohte. Sie merkte nicht, wenn eine Situation gefährlich war. Auch ihre Träume waren frei von angsteinflößenden Situationen. Übrigens: Im von der Außenwelt weitgehend abgeschnittenen Namaqualand in Südafrika kommt dieses Syndrom häufig vor, weil ein deutscher Kolonialist es dort einst eingeschleppt hat.
Wichtig ist, dass wir aus Erfahrung auch lernen. „Die Evolution hat Steckdosen nicht vorausahnen können“, schreibt Solms. Dieses Lernen funktioniert viel besser, als wenn wir für eine Prüfung lernen: Es reicht, wenn wir uns einmal am Herd die Finger verbrennen, um beim nächsten Mal aufzupassen.
Auch Furcht können wir bewusst reflektieren. Damit wir nicht jedes Mal erstarren oder schreiend wegrennen, wenn wir uns vor etwas fürchten. Wir müssen es aber nicht. Zeigt man Menschen Wörter wie „Mörder“ oder „Vergewaltiger“ so kurz, dass sie diese nicht bewusst wahrnehmen können, haben sie danach trotzdem ein ungutes Gefühl. Ohne sagen zu können, warum.
Die nächste Folge ist eine Pärchenfolge: VERLASSENHEITSPANIK trifft auf FÜRSORGE. Mit dabei: Baumark, Burgunderschinken und Bullock, Sandra.
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Hier noch die drei ersten Folgen der Basisemotionen: